
Nach der Kabinettsumbildung in Hannover stellen sich die neuen Regierungsmitglieder in Brüssel vor
Von Thomas A. Friedrich
Doppelpremiere in der niedersächsischen Landesvertretung in Brüssel. Mit der Wahl von Olaf Lies zum neuen Regierungschef in Hannover als Nachfolger von Stephan Weil (beide SPD) machten gleich zwei neue Kabinettsmitglieder in der Rue Montoyer 61 am Mittwochabend beim Wirtschaftsempfang ihre Aufwartung.
Melanie Walter als Europaministerin und der Minister für Wirtschaft, Bauen und Verkehr, Grant Hendrik Tonne, begrüßten rund 250 Gäste zum traditionellen Spargelessen.
Wie sehr das Land Niedersachsen als Standort von Automobilindustrie, energieintensiven Industrien wie der Stahlerzeugung und als Land der Erneuerbaren Energien von Entscheidungen in Brüssel abhängig ist, machte Tonne nach seinen zweitägigen Gesprächen mit der EU-Kommission deutlich.
Wirtschaftsminister Tonne fordert verhältnismäßige Vergeltung gegen diskriminierende US-Zölle
„Die globalen Krisen und Konflikte und nicht zuletzt der ungelöste Handelskonflikt mit den USA entwickeln sich für viele unserer Unternehmen zur permanenten Belastungsprobe.“ Daher müsse die Offenheit des Welthandels ein ganz wesentliches Kernziel der EU bleiben, und dies schließe eine glaubwürdige und verhältnismäßige Vergeltungsstrategie gegen diskriminierende US-Zölle ein, betonte der niedersächsische Wirtschaftsminister.
Die EU dürfe sich nicht auf einen oder wenige Partner fokussieren, sondern müsse im Gegenteil mit möglichst vielen Ländern im wirtschaftlichen Austausch bleiben und weitere Freihandelsabkommen schließen, um Absatzmärkte zu sichern, strategische Partnerschaften zu stärken und die Abhängigkeit von den USA zu verringern.
In seinen Gesprächen in Brüssel habe er den Eindruck gewonnen, dass Brüssel das Thema Bürokratieabbau inzwischen ernst nehme. Die Kommission sei bereits mit einer Reihe konkreter Initiativen auf dem Weg zu einer Vereinfachungsagenda zur Stärkung der europäischen Wirtschaft. Die „Omnibuspakete 1 bis 3“ enthielten Vorschläge zur Vereinfachung der Berichtspflichtenwie bei der Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen (CSDDD) sowie der Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) sowie der Taxonomie-Verordnung.
Europa zum weltweit besten Standort für die Gründung technologieorientierter Unternehmen entwickeln
Mit dem „Omnibuspaket 4“ werde überdies eine neue Unternehmens-Kategorie eingeführt, die weniger Berichtspflichten und damit weniger Verwaltungsaufwand für die jeweiligen Unternehmen bedeute.
„Im Übrigen geht auch die neue Start-up- und Scale-up-Strategie in die richtige Richtung“, so Tonne. Wenn die vorgeschlagenen Maßnahmen konsequent umgesetzt würden, bestehe die große Chance, Europa zum weltweit besten Standort für die Gründung und das Wachstum technologieorientierter Unternehmen zu machen
Automobilindustrie als zentrale Säule von Wachstum und Wohlstand
Mit 13 Millionen Beschäftigten in der europäischen Automobilindustrie stelle dieser Wirtschaftszweig für Deutschland und Niedersachsen eine zentrale Säule von Wachstum und Wohlstand dar. Der Weg hin zur Elektromobilität ist aus meiner Sicht richtig, um Klimaneutralität ab 2035 zu erreichen. Deswegen habe die Landesregierung im letzten Jahr in Brüssel sehr intensiv dafür geworben, aus dem sehr harten Stufenmodell von Flottengrenzwerten zu einem gleitenden Weg zu gelangen. „Es ging nicht darum, das Ziel der Klimaneutralität in Frage zu stellen, sondern an die Realität anzupassen“, sagte Wirtschaftsminister Tonne. Er sei der EU-Kommission und dem EU-Parlament dankbar, dass dies gelungen sei.
Die neue Europaministerin Melanie Walter wartete mit der Vorstellung der Bewerbung Niedersachsens als „NetZeroNordwest Deutschland“ als ein „NetZero Valley (NZV)“ auf. Dies geht auf die Kommissionsinitiative des Net Zero Industrial Act (NZIA) mit dem Ziel, europäische Regionen zu Knotenpunkten für grüne Zukunfts-Industrien auszubauen.
Bernd Lange: Niedersachsen als Modellregion für grüne technologierorientierte Industrien
„Eine solche Bewerbung lag mehr als auf der Hand,“ äußerte sich der niedersächsische SPD-Europaabgeordnete und Vorsitzende des EP-Handelsausschusses Bernd Lange im Gespräch mit BelgienInfo beim diesjährigen Wirtschaftsempfang in Brüssel. Niedersachsen habe alles, um zu einer europaweiten Vorzeigeregion für saubere Technologien zu werden. Als Modellregion werde die entsprechende Industrie durch die Beschleunigung von Genehmigungs- und Planungsprozessen und einem besseren Zugang zur Finanzierung durch EU-Fördermittel sowie die Qualifizierung von Personal als „Game Changer“ für den Wirtschaftsstandort Niedersachsen gestärkt.
Mit dem Wachstumspaket „Net Zero Industry Act“ verfolgt die EU das Ziel, bis 2030 mindestens 40 Prozent der Binnennachfrage nach strategischen grünen Technologien aus eigener Produktion zu decken.
Spargel als Energie- und Gesundheitsbooster im Frühsommer
Der diesjährige Wirtschaftsempfang des Landes Niedersachsen bot im Innenhof der Landesvertretung nicht nur schönstes Sommerwetter, sondern auch kulinarischen Hochgenuss von grünen und weißen Spargel aus dem niedersächsischen Fuhrberg. „Spargel ist nicht nur ein kulinarischer Hochgenuss, sondern auch ausgesprochen gesund, reich an Vitaminen, Mineralstoffen und Antioxidanten und damit ein wahrer Energie- und Gesundheitsbooster im Frühsommer“, eröffnete Wirtschaftsminister Grant Hendrik Tonne den anschließenden Networking-Abend mit den niedersächsischen EU-Abgeordneten Jens Gieseke, Bernd Lange und Tiemo Wölken. Zwischen Spargel, niedersächsischem Bierquell und Gin-Getränken von der „Rossgoschen-Manufaktur“ aus Hannover-Isernhagen.
Der Beitrag Stabwechsel in Niedersachsens EU-Vertretung erschien zuerst auf Belgieninfo.